Seitenblick: Ungarn

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17. Juni 2018Juliane Noßack

April 2010 | Die nationalkonservative Fidesz-Partei gewinnt die Parlamentswahlen mit einem fulminanten Ergebnis. Viktor Orbán wird Ministerpräsident von Ungarn und verspricht eine nationale Revolution.

ebenfalls 2010 | Die damals als rechtsextrem geltende Partei Jobbik zieht ins Parlament ein und setzt auf antisemitische und Anti-Roma-Rhetorik. Heute nennt sie sich eine »Mitte-Rechts-Partei« und sieht sich in der Tradition der großen europäischen Volksparteien.

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2011 | Orbán lässt das oberste Gericht abschaffen, um es mit einer neuen Institution zu ersetzen. Dadurch kann er die alten Richter ab- und neue, loyale Juristen einsetzen.

Januar 2012 | Die neue Verfassung wird verabschiedet, in der als Prinzipien unter anderem der Bezug auf Gott, die ungarische Krone sowie Begriffe wie Vaterland, Christentum, Familie, Treue, Glaube, Liebe und Nationalstolz verankert sind.

2013 | Durch eine Verfassungsänderung wird der Schutz der Familie ausdrücklich auf heterosexuelle Paare beschränkt.

September 2013 | Das Parlament in Budapest verabschiedet ein Gesetz , das Obdachlosen das Übernachten im Freien verbietet. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geldbußen und Haftstrafen rechnen.

seit 2015 | Koloman Brenner, der Prodekan der Universität Budapest, engagiert sich für Jobbik und tritt bei Wahlen als Kandidat an.

März 2015 | Im ungarischen Miskolc geht die Verwaltung drastisch gegen Roma vor. Sie vertreibt sie aus ihren Wohnungen. Angeblicher Grund: Platz für eine moderne Fußball-Arena schaffen.

Sommer 2015 | Orbán lässt einen 175 Kilometer langen, elektrifizierte Grenzzaun errichten.

Oktober 2016 | Die auflagenstärkste, unabhängige Tageszeitung »Népszabadság« wird von heute auf morgen abgeschaltet – Fidesz-Vize Szilárd Németh zeigt sich wenig traurig darüber.

LAUT REPORTER OHNE GRENZUNG LIEGT UNGARN DERZEIT AUF PLATZ 73 IN DER RANGLISTE DER PRESSEFREIHEIT 2018. DEUTSCHLAND LIEGT AUF PLATZ 15.

2017 | Mehr als 1.300 Vertragsverletzungsverfahren hat die EU mittlerweile gegen Ungarn eingeleitet. Jedes mal kam das Land ohne eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte oder eine zukünftige Kürzung von Hilfsgeldern davon.

April 2017 | Orbáns Fidesz-Partei verabschiedet ein Gesetz zur Schließung der Central European University.

seit Februar 2018 | Genau eine – von den Behörden ausgewählte –Person pro Werktag darf in jeder der beiden Transitzonen an der serbisch-ungarischen Grenze jeweils ein Asyl beantragen. Insgesamt also zwei am Tag.

April 2018 | Die regierende Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán wird bei der Parlamentswahl mit rund 49 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Der 54-Jährige kann damit bei seiner dritten Amtszeit in Folge voraussichtlich wieder auf eine Zweidrittelmehrheit bauen, die Verfassungsänderungen ermöglicht.

Juni 2018 | Das »Stop Soros«-Gesetzespaket der Regierung wird im Parlament vorgestellt – es soll dazu dienen, Hilfsorganisationen, die sich für Geflüchtete einsetzen, zu kriminalisieren. So drohen Mitarbeiter_innen und Aktivist_innen von NGOs Arrest und Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, wenn sie Menschen helfen, die illegal ins Land kommen und nicht asylberechtigt sind. Auch das Drucken und Verteilen von Informationsmaterial zum Thema Asylrecht soll bestraft werden.



Juliane Noßack: treibt sich literarisch vielerorts im Netz herum. Seit 2014 bloggt sie über Literatur auf Poesierausch, während ihres Studiums der Angewandten Literaturwissenschaft an der FU Berlin leitete sie Litaffin. Gerade absolviert sie ein Volontariat im Verlagswesen und kümmert sich nebenbei noch um den open mike-Blog.