April 2015: Damas Pakada, junger israelischer Soldat mit äthiopischen Wurzeln, gewissermaßen ein Vorzeigekind an Integration, den auch Benjamin Netanjahu als Vorzeige-Soldaten bezeichnete, wird von zwei israelischen Polizisten niedergeprügelt. Das Video der Tat landet im Netz und löst seitens der äthiopischen Juden in Israel Unruhen aus.
Mai 2015: In Tel Aviv demonstrieren äthiopische Juden gegen den Rassismus, den sie tagtäglich erfahren, und lassen Vorwürfe laut werden, dass schwarze Juden in Israel Menschen zweiter Klassen seien. Es kommt zu Straßenschlachten.
Juni 2015: Miriam (Miri) Regev aus der konservativen Likud-Partei, ehemals Leiterin der Zensurbehörde des Israelischen Militärs und Pressesprecherin der Armee, übernimmt das Amt für Kultur und Sport und wird fortan die Diskussion und die Bedeutung von Zensur und Freiheit im Kontext von israelischer Kunst und Kultur prägen. Sie wird Theatern für ein Stück über einen Palästinenser in israelischer Haft oder für die Verweigerung, Stücke in den Siedlungsgebieten im Westjordanland aufzuführen, mit finanziellen Sanktionen drohen. Sie wird Radiossender der Armee zum Spielen von mehr hebräischen und patriotischen Liedern auffordern. Und Sie wird einen Gesetzesentwurf einbringen, der die staatliche finanzielle Unterstützung von Kunst, Kultur und Film an die Loyalität zum Staat bindet.
Loyalität (Ne’emanut) und Kunst (Omanut) reimen sich im Hebräischen.
März 2016: Der israelische Soldat Elor Asaria erschießt bewusst einen bereits am Boden liegenden Palästinensischen Angreifer mit einem Kopfschuss. Der Fall spaltet Israel: Das Gericht verurteilt den jungen Soldaten zu 18 Monaten Haft, weil er mit dieser unnötigen Tötung gegen das Recht verstoßen hat – doch rechtsextreme, nationalistische und rassistische Bewegungen wie die ultrarechte Lehava- Organisation, die strenge soziale und geschäftliche Trennung von Palästinenser_innen und Israelis fordert und gegen interreligiöse Ehen kämpft, nehmen Asaria in Schutz und küren ihn zum Helden.
Sommer 2016: In einer Ausstellung der Shenkar Kunsthochschule hängt ein Bild des Kunststudenten Yam Amrani, das Furore machen wird. Darauf unter anderem zu sehen: eine nackte Frau. Eine nackte Frau, die Gemeinsamkeiten mit der Justizministerin Ayelet Shaked hätte, meint ein Journalist und macht die Hochschulpräsidentin sowie das Justizministeriums darauf aufmerksam. Yuli Tamir, Präsendentin von Shenkar, ließ das Bild abhängen – die Würde der Frau würde bei dieser Aktdarstellung verletzt. Aus Protest legte Fachbereichsleiter für Multidisziplinäre Kunst Larry Abramson sein Amt nieder.
Dezember 2016: Eine Erstsemesterstudentin an der Kunsthochschule Bezalel hat Shepard Faireys Obama-Grafik modifiziert: aus ‚Hope‘ wurde ‚Rope‘ (dt. ‚Strick‘), aus Obama wurde Benjamin Netanjahu mit Henkersseil und aus dem Ganzen wurde ein Skandal. Das Bild landete ruck zuck in den Sozialen Netzwerken und wurde dort schnell zum Aufhänger für rechtskonservative und nationalistische User, die das Bild als große Kampagne gegen Netanjahu deuteten. Die Lesarten gingen bis hin zu Mordaufforderungen. Die Polizei verhörte die Studentin und die Kulturministerin Miri Regev (ehemals Leiterin der Zensurbehörde des Israelischen Militärs) ebenso wie der Erziehungsminister Naftali Bennett drohten Bezalel mit finanziellen Kürzungen.
Ende 2016/Anfang 2017: Israel erhöht seinen Sicherheitszaun zu Ägypten, der schon 2014 fertiggestellt wurde und primär afrikanischer Migrant_innen an der Einreise hindern soll, zudem aber auch den illegalen Drogen- und Waffenhandel und das Einreisen von Terrorist_innen verhindern soll.
2017 ist Israel bei Transparency International (The Global Coalition Against Corruption) auf Rang 32 von 180 Ländern und Territorien und erzielte 62 von 100 Punkten in der Wertetabelle der wahrgenommenen Korruption des öffentlichen Sektors.
Januar 2018: Der Israelische Staat beginnt mit seinem Plan, bis zu 40.000 afrikanische Geflüchtete aus afrikanischen Ländern, die vorrangig aus dem Sudan und aus Eritrea kommen, zur ‚freiwilligen‘ Ausreise zu zwingen: Entweder die Refugees verlassen binnen drei Monaten das Land und erhalten eine Rückkehrprämiere von umgerechnet 2.900 Euro oder es droht am Ende die Haft. Das Rückkehrprogramm wurde jedoch nicht mit den eigentlichen Heimatländern, sondern mit Rwanda und Uganda abgeschlossen, in die die Geflüchteten nun ziehen müssen.
April 2018: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befindet sich in Gesprächen mit UNHCR und verkündet eine neue Vereinbarung, laut der 16.000 in Israel sitzende Geflüchtete in westliche Länder verteilt werden und weitere 16.000 Geflüchtete endlich ein Aufenthaltsrecht erhalten sollen – denn seit Jahren führt Israel eine Politik, die Asylanträge nur selten bewilligt und ist zugleich mit ankommenden Geflüchteten konfrontiert. Für diese Entscheidung hagelt es Kritik aus der eigenen konservativen Partei Likud wie auch von Seiten der Rechten – und kurz darauf zieht Netanjahu alles wieder zurück. Und die unsichere Lage der Geflüchteten in Israel bleibt bestehen.